Übungen zum Abitur
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- Датум последње измене недеља, 15 мај 2016 21:39
- Објављено уторак, 10 мај 2016 17:55
- Аутор Наташа Петровић
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DER ZERSTREUTE PROFESSOR
Professor Grabmann ging nie ohne Schirm weg. Nicht einmal an strahlenden Sommertagen konnte er sich entschließen, dem Wetter zu trauen. Er war ein Professor, wie er im Buche steht: ein richtig zerstreuter Professor. Er wußte das, aber er konnte es nicht ändern. Und so passierte ihm beinahe jede Woche einmal dasselbe: Er ließ seinen Schirm irgendwo stehen, und meistens hatte er dann keine Ahnung, wo er ihn gelassen hatte.
Seine Haushälterin war manchmal verzweifelt. Sie bat ihn, ohne Schirm zu gehen - ohne Erfolg. Er war es gewöhnt, den Schirm mitzunehmen, da war nichts zu machen. Eines Tages aber hatte die Haushälterin Geburtdtag. Da wollte ihr Professor Grabmann eine besondere Freude machen und ging tatsächlich ohne Schirm. Die Haushälterin strahlte. So konnte er ihn nirgends vergessen.
Professor Grabmann ging in die Universität, hielt seine Vorlesung und machte dann noch ein paar Besorgungen in der Stadt. Als er gerade aus der Apotheke kam, merkte er plötzlich, daß er keinen Schirm hatte. ˝Und dabei wollte ich doch heute die gute Maria nicht enttäuschen˝, dachte er, ˝sie hat doch heute Geburtstag.˝ Und sofort erinnerte er sich, daß in der Apotheke ein Schirm stand. Er ging also noch einmal hinein, grüßte freundlich und nahm sich den Schirm.
Dann kaufte er noch einen schönen Strauß Blumen für die gute Haushälterin Maria und ging zufrieden nach Hause. ˝Schauen sie˝, sagte er strahlend, ˝was ich Ihnen mitgebracht habe. Und außerdem habe ich Sie heute nicht enttäuschen wollen: Schauen Sie, auch meinen Schirm habe ich wieder mitgebracht.˝ Und er wunderte sich sehr, als die gute Maria nicht recht wußte, was sie sagen sollte.
DIESE NACHT WAR NICHT ZUM SCHLAFEN DA
Ein Junge aus Ostberlin und ein Mädchen aus Westberlin lächeln sich freundlich an, zwischen ihnen die Mauer: ein Wahlplakat der Berliner SPD aus dem Jahr 1988. Überschrift: ˝Berlin ist Freiheit˝. Die Botschaft: Die nächste Generation soll die Deutschen aus Ost und West wieder zusammenbringen. Manche Leute hatten kein Verständnis für so viel Fantasie, viele kritisierten das Plakat.
Ein Leben ohne die Mauer war damals einfach unvorstellbar. Fast 30 Jahre lang hatte sie Berlin in zwei Hälften geteilt. Aber nicht nur das: sie hatte auch Familien und Ehepaare getrennt und Kontakte zu alten Freunden abgeschnitten. Wer in Berlin wohnte, der hatte gelernt, dass es einfacher war, nach Mallorca zu reisen, als an den Müggelsee, obwohl der nur ein paar Kilometer weit weg war. Seit dem Bau der Mauer 1961 hatten die Deutschen auf diesen Tag gewartet, und plötzlich war er da.
Wir alle mussten die neue Situation erst selbst erfahren. Als man in der Nacht vom 9. zum 10. November 1989 die ersten Bilder von der Grenzöffnung im Fernsehen sehen konnte, waren schon Tausende von Menschen aus Ost- und Westberlin zu den Grenzübergängen gefahren. Sie applaudierten, tranken Sekt und bewarfen die Trabbis* mit Blumen. Viele Ost-Berliner weinten vor Freude, nachdem sie die Grenze überschritten hatten. Es war eine Stimmung wie auf einem Volksfest. Hier zeigte sich: Niemand hatte die Mauer wirklich akzeptiert.
Diese Nacht war nicht zum Schlafen da. Ich blieb bis zum Morgen am Grenzübergang Invalidenstraße und sprach mit den Berlinern aus dem Osten. Viele waren wieder auf dem Heimweg, nachdem sie mitten in der Nacht schnell mal zum Ku'Damm** gefahren waren. Dann kamen die ersten West-Berliner aus dem Ostteil der Stadt zurück: Sie hatten auf dem Alexanderplatz gefeiert. Wildfremde Menschen, aber auch Familien, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen hatten, lagen sich in dieser Nacht in den Armen. Der Slogan ˝Berlin ist Freiheit˝ war jetzt keine Fantasie mehr, sondern Wirklichkeit.
* Trabbi = Trabant, eine typische Automarke aus der ehemaligen DDR
** Ku'Damm = Kurfürstendamm, die bekannteste Einkaufsstraße in West-Berlin
DAS HAUS DER ERINNERUNG (von Erich Kästner)
Nach 25 Jahren treffen sich ehemalige Klassenkameraden in ihrem alten Schulzimmer wieder. Sie sprechen von alten Zeiten und vom Wert der Erinnerungen. Da fällt einem der Anwesenden eine Geschichte aus der Jugendzeit ein, die das merkwürdige Gefühl erklären soll, das über diese ehemaligen Schulkameraden gekommen ist.
˝Warum muß gerade das einfachste am schwersten zu erklären sein?˝ so fragt er die anderen. ˝Man kann nur in Bildern davon sprechen, und Bilder sind keine Beweismittel. Am Ende bringt uns ein Beispiel weiter? Irgend eine kleine Geschichte? -
Als ich ein Junge von zehn Jahren war, wollte ich fürs Leben gern ein Fahrrad haben. Mein Vater sagte, wir seien zu arm. Von da an schwieg ich... Bis ich eines Tages vom Jahrmarkt heimgerannt kam und aufgeregt berichtete, in einer Glücksbude sei der Hauptgewinn - ein Fahrrad! Ein Los koste zwanzig Pfennig! Der Vater lachte. Ich bat: ˝Wenn wir vielleicht zwei oder sogar drei Lose kaufen?˝ ... Er antwortete: ˝Soviel Glück haben arme Leute nicht.˝ Ich flehte. Er schüttelte den Kopf. Ich weinte. Nun gab er nach. ˝Gut˝, sagte er, ˝wir gehen morgen nachmittag auf den Jahrmarkt.˝ Ich war selig.
Der nächste Nachmittag kam. Das Rad stand, Gott sei Dank, noch an Ort und Stelle. Ich durfte ein Los kaufen. Das Glücksrad drehte sich rasselnd. Ich hatte eine Niete. Es war nicht schlimm. Das Rad gewann keiner... Als der Hauptgewinn das zweite Mal verlost wurde, hielt ich das zweite Los in der Hand. Mein Herz schlug am Hals. Das Glücksrad schnurrte. Es stand scheppernd still. Losnummer siebenundzwanzig - ich hatte gewonnen.
Erst als mein Vater lange tot war, erzählte mir die Mutter, was sich damals in Wahrheit abgespielt hatte... Er war am Abend vorher zum Hauswirt gegangen und hatte von diesem hundertfünfzig Mark geliehen. Dann hatte er den Besitzer der Glücksbude aufgesucht, ihm das Fahrrad zum Ladenpreis abgekauft und gesagt: ˝Morgen komme ich mit einem kleinen Jungen. Bein zweiten Los lassen Sie ihn gewinnwn. Er soll besser als ich lernen, an sein Glück zu glauben.˝ Der Mann, der das Glücksrad drehte, verstand sein Handwerk. Er hatte genau im Griff, welche Ziffer gewinnwn sollte.
Mein Vater hat das Geld in vielen kleinen Raten zurückgezahlt... Ich aber freute mich, wie nur ein Kind sich freuen kann. Denn mein Rad hatte, sage und schreibe, bloß vierzig Pfennig gekostet.˝